Was ist eigentlich Ergotherapie…. Fallbeispiele

  • Dennis hat heute spontan seinen Job gekündigt. Eigentlich war er zufrieden mit seiner Arbeitsstelle, nach zwei Jahren wurde ihm die immer gleiche Arbeit aber zu langweilig und monoton und seine vielen verschiedenen Interessen kamen einfach zu kurz. Er ist hochmotiviert, sich jetzt beruflich neu zu orientieren und auch angefangene private Projekte endlich umzusetzen. Trotzdem ist er total blockiert und fragt sich jetzt, wo und wie er überhaupt anfangen soll mit der Jobsuche.

    Corina sprüht vor Energie und übt mit Leidenschaft ihren Beruf als Geigenlehrerin aus. Nebenbei spielt sie in einem Orchester und hat gerade mit drei Kolleginnen ein Streichquartett gegründet. So leidenschaftlich sie in ihrem Beruf sein kann, so schwer fallen ihr alle administrativen Arbeiten. Sie lässt Briefe wochenlang ungeöffnet liegen und die Steuererklärung füllt sie immer erst nach der letzten Mahnung aus. Corina plagt dann zwar ein quälend schlechtes Gewissen, sie scheitert aber immer und immer wieder in den Versuchen, sich besser zu organisieren.

    Kim reagiert sehr sensibel auf Geräusche, visuelle und soziale Eindrücke. Gespräche gelingen nur unter enormem Konzentrationsaufwand, sobald gleichzeitig andere Personen im Umkreis sprechen, das Radio läuft oder eine Uhr laut tickt. Manchmal wird der Inhalt des Gesprächs aber auch gar nicht erst aufgenommen. Eine Zugfahrt zur Stosszeit ist für Kim der blanke Horror und nur Kopfhörer verschaffen ein wenig Abhilfe. Am Abend folgt dann oft die totale Erschöpfung und mehr als ein kurzes Abendessen vor dem Zubettgehen liegt nicht mehr drin.

    In der Ergotherapie sind die konkreten Zielsetzungen individuell. Psychoedukation (Vermittlung von Basiswissen über ADHS), Ressourcenaktivierung und Energiemanagement spielen aber immer eine zentrale Rolle, um eine bestmögliche Zufriedenheit bei der Bewältigung des Alltags zu erreichen.

  • Herr Brunner hat vor einigen Jahren die Diagnose Parkinson erhalten und wohnt seit sechs Monaten in einem Altersheim. Er benötigt bei mehreren alltäglichen Verrichtungen Hilfe, aber am meisten stört ihn, dass er nicht mehr selbständig essen kann, da seine Hände stark zittern. Die Ergotherapeutin behandelt Herrn Brunner direkt im Altersheim und bespricht mit ihm die Ess-Situation. Herr Brunner erhält daraufhin einen Rollstuhl-Tisch, so dass er das Essen in erreichbarer Nähe vor sich hat und er übt in der Therapie, mit Spezial-Besteck zu essen. Es gelingt ihm nach einigen Behandlungen immer besser, das vorgeschnittene Essen selbständig zum Mund zu führen. Herr Brunner erlangt damit einen grossen Teil Autonomie zurück und ist in einem für ihn wichtigen Alltagsbereich auf deutlich weniger Hilfe angewiesen.

  • Frau Lang erlitt vor zwei Jahren einen Schlaganfall. Nach einem längeren Reha-Aufenthalt wohnt sie heute wieder zu Hause mit ihrem Mann und den zwei Kindern im Schulalter. Ihre linke Körperseite ist seit dem Vorfall teilweise gelähmt. Sie kann ohne Hilfsmittel gehen, hat aber etwas Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, wenn sie etwas tragen muss. Zudem sind beidhändige Tätigkeiten wie Geld aus dem Portemonnaie holen mit viel Zeitaufwand verbunden. Das Einkaufen bedeutet der Klientin viel, sie kann so wieder aktiv einen Teil der Versorgung für die Familie übernehmen. Ihr Ziel ist es, in der Ergotherapie Strategien zu erarbeiten, wie der Einkauf für sie wieder einfacher zu bewältigen ist. Zusammen mit der Therapeutin erledigt sie ihren Wocheneinkauf und gemeinsam wird danach ermittelt, durch welche Anpassungen Frau Lang ihr Ziel erreichen kann. Sie plant nun ihre Einkäufe im Voraus und besorgt jeweils nur wenige Produkte auf einmal. Dafür benützt sie statt eines Einkaufskorbs den Einkaufswagen, um Gleichgewichtsprobleme zu vermeiden. Den Einkauf trägt sie in einem Rucksack nach Hause, so kann sie das Gewicht symmetrisch verteilen und fühlt sich beim Gehen sicher.
    In der Ergotherapie werden zudem das Einpacken der Produkte in den Rucksack sowie das Ein- u. Ausräumen von Kleingeld trainiert.

  • Herr Burkard erlitt vor einigen Monaten ein Burnout und trat vor Kurzem aus dem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik aus. Er ist noch krankgeschrieben und kann halbtags die Behandlung in einer Tagesklinik weiterführen. Er merkt, dass ihm die arbeitsfreien Nachmittage zu Hause grosse Mühe bereiten. Er hat viele Ideen und Vorsätze, möchte sich zum einen aber nicht zu viel zumuten und schafft es zum anderen nicht, sich zu Aktivitäten aufzuraffen. In der Ergotherapie wird analysiert, welchen Betätigungen Herr Burkard sich gerne wieder widmen möchte (Haushalt erledigen, Freunde treffen, Fussball spielen). Dann wird eine Wochenplanung erstellt, mit der Aktivitäten und Termine schrittweise geplant werden. Es wird darauf geachtet, dass es Herrn Burkard gelingt, ein Gleichgewicht zu finden zwischen erholsamen und anstrengenden Aktivitäten. Mit der Zeit schafft es Herr Burkard, selbständig eine realistische Wochenplanung zu erstellen und diese im Alltag umzusetzen.

  • Frau Meier ist mit ihrem E-Bike seitlich umgekippt und hat sich dabei den rechten Unterarm gebrochen (Radiusfraktur). Nach der Erstversorgung im Spital, bei welcher zur Stabilisation eine Metallplatte in den Unterarm eingesetzt wurde, muss Frau Meier ihren Arm für 2 Wochen in einer Gipsschale ruhigstellen. In der Ergotherapie werden ihr für diese Zeit Übungen für die Finger und die Schulterbeweglichkeit gezeigt und sie wird instruiert, den Arm regelmässig hochzulagern oder mit einem Linsensäckli zu kühlen,
    um die Schwellung im Arm zu reduzieren.
    Nach der Fadenentfernung beim behandelnden Arzt (in der Regeln nach 2 Wochen), gibt es eine Instruktion, wie die Haut und die Narbe zu pflegen und zu massieren ist. Frau Meier darf für weitere 4 Wochen nur Bewegungen ohne Kraft und Widerstand machen, welche ihr die Ergotherapeutin zeigt. Für die Bewältigung ihres Haushaltes ist sie in dieser Zeit auf viel Unterstützung ihres Ehemannes angewiesen. Sobald die Nachkontrolle im Spital erfolgt ist (ca 6 Wochen nach OP), darf Frau M. leichte Kraftübungen mit Knetmasse machen und ihre Hand im Alltag zunehmend mehr einsetzen. Mittels einem Fragebogen über die Alltagsbewältigung wird klar, dass Frau Meier noch zu wenig Kraft hat, um die Betten zu machen oder um sich ein Stück Brot abzuschneiden, auch spürt sie Schmerzen wenn sie ihren Enkel zur Begrüssung hoch heben möchte. Zusammen mit der Ergotherapeutin überlegt sie sich Strategien, wie diese Aktivitäten vorübergehend vereinfacht werden können oder ob es ein passendes Hilfsmittel gibt. Auch erhält sie Tipps wie sie ihr Handgelenk ergonomisch im Alltag einsetzen kann um weitere Belastungen zu minimieren.

Ergotherapeutische Abklärung:
Ist auf der ärztlichen Verordnung «Abklärung»
markiert, finanziert die Krankenkasse zwei
Einheiten Ergotherapie zum Zweck der Klärung
des Therapiebedarfs, ohne dass ein Antrag auf
Kostengutsprache gestellt werden muss.