Fallbeispiele Kinderergotherapie

  • Nicolas ist neun Jahre alt. Aufgrund seines ADHS fällt es ihm manchmal schwer, sein Verhalten zu steuern. Gerade bei viel Ablenkung und in für ihn anstrengenden Situationen kann es sein, dass Nicolas impulsiv und aufbrausend reagiert, obwohl er das eigentlich gar nicht möchte. Zu Hause gibt es oft Streit beim Nachtessen, weil Nicolas es nicht schafft, seine I-Pad-Zeit rechtzeitig zu beenden. Er verlängert die Zeit mehrmals und wird so wütend, wenn er aufhören muss, dass die Situation eskaliert und das Abendessen im Konflikt endet.
    Nicolas möchte in der Ergotherapie lernen, wie er es zusammen mit seiner Familie schafft, dass es keinen Streit mehr gibt beim Nachtessen.
    Es wird zusammen mit den Eltern und Nicolas eine «Flimmerregelung» erarbeitet, welche die Abmachung zum I-Pad-Gebrauch vor dem Nachtessen schriftlich und bildlich festhält. Die Familie stellt nun die Zeit jeweils mit dem TimeTimer. Auf diesem ist sichtbar, wie die verabredete Zeit abläuft und er gibt am Ende zusätzlich ein akustisches Signal. Zudem gestaltet Nicolas einen Punkteplan. Immer, wenn er die Regelung einhält, gewinnt er einen Punkt. Bei vollem Punkteplan ist zusammen mit den Eltern ein Besuch auf dem Indoor-Spielplatz geplant.
    In der Ergotherapie werden zudem Tricks erarbeitet, mit denen Nicolas es schafft, sich besser zu regulieren. Zum Beispiel lernt er einzuschätzen, in welcher Stimmung er sich gerade befindet, warum er in bestimmten Situationen wütend wird und welche Möglichkeiten es gibt, dies dann zu äussern.

  • Leandro besucht den zweiten Kindergarten. Er hat eine motorische Entwicklungsverzögerung und einige im Kindergarten häufig stattfindende Aktivitäten fallen ihm deshalb schwerer als anderen Kindern. Am meisten stört ihn, dass er es immer viel später in die Pause schafft als seine Kameraden, da ihm das selbständige Anziehen nach wie vor Mühe bereitet.
    In der Ergotherapie möchte er lernen, seine Winterschuhe mit Klettverschluss sowie seine Winterjacke selbständig anzuziehen. In der Therapie wird ermittelt, unter welche Rahmenbedingungen Leandro sich am besten selber ankleiden kann (genügend Zeit, möglichst wenig Ablenkung, Sitzplatz am Rand des Bänklis). Es wird ein Ring am Reissverschluss befestigt, so dass er diesen besser greifen und hochziehen kann und die Schuhe werden zur Unterscheidung von rechts und links mit einem Klebepunkt markiert. In der Therapie wird unter diesen Bedingungen das Anziehen geübt und mit der Kindergarten-Lehrperson werden die Anpassungen besprochen. Mit Leandro wird abgemacht, dass er erst die Schuhe und die Jacke anziehen soll und sich dann für Hilfe bei weiteren Kleidungsstücken (Handschuhe, Mütze) bei der Lehrperson melden kann. So weiss er, dass er Hilfe einfordern darf, kann aber trotzdem einen grossen Teil selber übernehmen und dadurch an Selbstvertrauen gewinnen.

  • Nina ist 16 Jahre alt und leidet aufgrund einer Zerebralparese an einer Ataxie. Diese ist bei den oberen Extremitäten ausgeprägter, als bei den unteren. Es stört Nina, dass ihr immer noch ihre Mutter jeden Morgen die langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenbindet. Sie wünscht sich, in der Ergotherapie zu lernen, dies selbständig zu übernehmen.
    Zusammen mit der Ergotherapeutin testet sie verschiedene Haargummis und -klammern aus, lernt diese über das Handgelenk zu spannen und ihre Arme so zu koordinieren, dass es ihr gelingt, das Haargummi über die Haare zu ziehen. Sie übt die Aktivität jeweils vor dem Spiegel, damit sie ihre Motorik visuell kontrollieren kann. Sie merkt, dass sie den Pferdeschwanz auch seitlich binden und so die Bewegungen leichter ausführen kann. Zudem gelingt ihr die Aktivität deutlich besser, wenn sie sitzt und nicht gleichzeitig im Stand ihre Balance halten muss.
    Der Ablauf der Aktivität wird in der Ergotherapie auf einzelnen Fotos festgehalten. So kann Nina zu Hause die einzelnen Teilschritte leichter abrufen und umsetzen. Ninas Mutter ist in unregelmässigen Abständen in der Therapie dabei und gemeinsam befestigen sie die Fotos in Ninas Badezimmer.

Ergotherapeutische Abklärung

Ist auf der ärztlichen Verordnung «Abklärung»
markiert, finanziert die Krankenkasse zwei
Einheiten Ergotherapie zum Zweck der Klärung
des Therapiebedarfs, ohne dass ein Antrag auf
Kostengutsprache gestellt werden muss.